Arbeitsmedizinische Untersuchungen: Ohne Gefährdungsbeurteilung geht nichts!

12. August 2015

Auch wenn mit der Änderung der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) nicht mehr von Untersuchung gesprochen wird, sondern nur noch von der Vorsorge, hat sich eines nicht geändert: Ohne eine Gefährdungsbeurteilung kann es keine arbeitsmedizinische Vorsorge geben.

§ 3 ArbMedVV
Der Arbeitgeber hat auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung für eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge zu sorgen.

Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist ein Bestandteil des Arbeits- und Gesundheitsschutzes nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Sie ist nachrangig zu technischen und organisatorischen Arbeitsschutzmaßnahmen und ergänzt diese. Arbeitsmedizinische Vorsorge dient dabei der individuellen, persönlichen  Aufklärung und Beratung der Beschäftigten über die Wechselwirkungen zwischen ihrer Arbeit und ihrer Gesundheit. Ziel arbeitsmedizinischer Vorsorge ist die Früherkennung und Verhütung arbeitsbedingter Erkrankungen. Zugleich soll arbeitsmedizinische Vorsorge einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und zur Fortentwicklung des betrieblichen Arbeitsschutzes leisten.

Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften und Unfallkassen) haben im Lauf der Jahre eine Reihe von Empfehlungen herausgegeben, die Mindeststandards für spezielle Untersuchungen formulieren. Diese Empfehlungen werden unter dem Titel Berufsgenossenschaftliche Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen veröffentlicht. Sie werden mit dem Buchstaben “G” und einer fortlaufenden Nummer bezeichnet, die sogenannten G-Untersuchungen. Aber prinzipiell gilt: Die Festlegung des Untersuchungsumfangs bleibt stets Sache des Arztes mit besonderer Fachkunde (Arbeitsmediziner, Betriebsarzt).

Auf keinen Fall darf die arbeitsmedizinische Vorsorge mit einer Eignungs- oder Tauglichkeitsuntersuchung verwechselt werden.

Auch wenn sehr häufig bei Eignungsuntersuchungen von G-Untersuchungen (bspw. G26 bei den Feuerwehren, G41 bei Seilklettertechnik) gesprochen wird. Maßgeblich sind die unterschiedlichen rechtlichen Verankerungen: Tauglichkeits- oder Eignungsfragen finden sich überwiegend im Arbeitsrecht, können aber auch in privatrechtlichen Regelungen bspw. über Fachverbände oder Dienstvorschriften verlangt werden. Eignungs- bzw. Tauglichkeitsuntersuchungen sind damit ohne rechtlich-arbeitsmedizinischen Charakter (vergl. § 2 ArbMedVV). Gleichwohl werden Eignungsuntersuchungen sehr häufig an den “Grundsätzen für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen“ angelehnt, hier heißt es dann “Tauglichkeits- bzw. Eignungsuntersuchung nach G41” oder “Eignungsuntersuchung nach G26 für Atemschutzgeräteträger”. Im übrigen braucht es rein rechtlich auch keinen Betriebsarzt oder einen Facharzt für Arbeitsmedizin für Eignungs- bzw. Tauglichkeitsuntersuchungen (im Gegensatz zu einer arbeitsmedizinischen Vorsorge).

Damit der Betriebsarzt die arbeitsmedizinische Vorsorge im Interesse des Mitarbeiters (um dessen Gesundheit es bei der Vorsorge geht) durchführen kann, benötigt er umfangreiche Informationen über die Tätigkeit und der Arbeitsplatzverhältnisse. Da Adressat der Arbeitsschutzvorschriften immer der Arbeitgeber oder Unternehmer ist, steht es auch in seiner Pflicht für diese Informationen zu sorgen. Für die Beurteilung der Arbeitsbedingungen schreibt der Gesetzgeber in den unterschiedlichsten Arbeitsschutzvorschriften eine Gefährdungsbeurteilung vor, so auch bei der arbeitsmedizinische Vorsorge (§ 3 ArbMedVV). Die Konkretisierung der allgemein gehaltenen Vorschrift übernimmt die Arbeitsmedizinische Regel (AMR) Nr. 3.1 “erforderliche Auskünfte/Informationsbeschaffung über die Arbeitsplatzverhältnisse”. Dabei nimmt die AMR Nr. 3.1 beide Adressaten in die Pflicht, indem der Arbeitgeber dem Betriebsarzt die notwendigen Informationen erteilen muss und der Betriebsarzt sich diese verschaffen muss.

Die AMR ist sehr eindeutig, sie bietet dem Arbeitgeber eine Vermutungswirkung (Rechtkonformität) und verlangt vom Betriebsarzt die Regeln zu berücksichtigen.

Im speziellen geht die AMR auf die Auskünfte aus den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung ein. Und zwar nicht nur die daraus ergebenden Gefährdungen zum konkreten Arbeitsplatz, sondern “die Kenntnis der gesamten Gefährdungsbeurteilung ist insbesondere auch deshalb relevant, da arbeitsmedizinische Vorsorge über die alleinige Früherkennung spezifischer Schädigungen hinaus auch dem Gesundheitsschutz im Sinne einer Primärprävention dient.”

Zusätzlich zur Gefährdungsbeurteilung fordert die Arbeitsmedizinische Richtlinie weitere individuelle Informationen:

  • Anlass nach ArbMedVV
  • vorgesehene Vorsorge (Pflicht-, Angebots- oder Wunschvorsorge als Vorsorge vor bzw. nach Aufnahme der Tätigkeit)
  • Arbeitsorte
  • Arbeitszeiten (beispielsweise Schichtsystem, Wochenendarbeit)

  • Arbeitsaufgaben und Arbeitstätigkeiten

Darüber Hinaus folgende arbeitsplatzspezifische und tätigkeitsbezogene Informationen, welche sich überwiegend schon aus der Gefährdungsbeurteilung ergeben:

  • Gefährdungen durch Arbeitsumgebungsbedingungen (zum Beispiel Hitze, 
Zugluft, Lärm)

  • physischen Belastungen (beispielsweise Heben, Tragen, Zwangshaltung)
  • Gefährdungen durch verwendete Maschinen und Werkzeuge
  • Gefährdungen durch elektromagnetische Felder, nichtionisierende und ionisierende Strahlen
  • Gefährdungen durch Arbeitsstoffe (zum Beispiel Feststoffe, Stäube, Gase, Dämpfe, Flüssigkeiten, Aerosole, sofern diese eingesetzt werden, oder beim Arbeitsprozess entstehen)
  • psychischen Belastungen

  • Sicherheitsdatenblätter der verwendeten Gefahrstoffe oder Einstufungen der biologischen Arbeitsstoffe
  • Messprotokolle oder dem Kataster
  • technische Arbeitsschutzmaßnahmen
  • organisatorische Arbeitsschutzmaßnahmen
  • persönlichen Arbeitsschutzmaßnahmen (beispielsweise zur Art der persönlichen Schutzausrüstung)

  • bisherige arbeitsmedizinische Vorsorge (Auszug aus Vorsorgekartei)
  • Arbeitsplatzbegehungen (Datum, Ergebnis, Maßnahmen)
  • Unterweisungen(Datum,Thema). 


Eine entsprechende Beispieltabelle findet sich im Anhang der AMR Nr. 3.1 oder natürlich innerhalb der riskoo-Toolbox.